Flat Design vs. Skeuomorphismus
Wenn man mal darauf achtet, was in der Design-Welt gerade los ist, kann man in verschiedenen Designblogs eine heftige Debatte zwischen Minimalismus und Skeuomorphismus mitverfolgen. Mit der Vorstellung von iOS7 wird nun eine weitere Diskussion angefacht. Es wird über die Sinnhaftigkeit beider Gestaltungsrichtlinien sowie der jeweiligen Vor- und Nachteile diskutiert. Wobei wohl viele dabei vergessen, dass das eine Design das andere nicht ersetzt, sondern uns lediglich ein weiterer Stil zur Gestaltung geboten wird.
Doch was versteht man unter Skeuomorphismus oder Flat Design?
Dieses obskure Wort, Skeuomorphismus, beschreibt ein Prinzip, welches die Art und Weise wie ein Objekt in der physischen Welt existiert, für virtuelle, digitale Funktionen übernommen wird, auch wenn die funktionale Notwendigkeit für sie wegfällt. Dies gilt nicht nur im visuellen, sondern auch im akustischen Bereich. Ein Beispiel wäre hierfür das Verschlussgeräusch auf dem Smartphone, beim Fotografieren oder das zerrissene Papier in der Note-App.
Skeuomorphismus darf jedoch nicht mit Realismus verwechselt werden. Während Skeuomorphismus eine Verbindung zu Prinzipien herstellt - also dem Original nachempfunden wird, versucht der Realismus dem Original am besten nachzuahmen (Fotorealismus).
Das iPhone ist schuld
Vor dem iPhone war die skeuomorphische Darstellung in der UI ungewöhnlich, mit Ausnahme von Videospielen wie Diabolo 2 - mit seinen Kontrollfenstern in Steinoptik oder den Energieanzeigen aus Glas. Aber dennoch war die realistische Darstellung im Alltag sehr begrenzt. Mit Ausnahme der im Web 2.0 eingesetzten Glas-Buttons, welche von den früheren Versionen von Mac OSX übernommen wurden. Man könnte behaupten, dass diese zugegebenermaßen bunten Tasten die ersten Warnzeichen von Steve Jobs „Verliebtheit zum Realismus“ waren.
Zuerst einmal kann man den visuellen Reiz dieser Darstellung nicht ignorieren. Sicher, die Leder-Textur so wie die Papieroptik und Pageflip-Animation in iBooks ist nach einigen Jahren etwas abgelutscht, aber als das iPhone erstmals enthüllt wurde und niemand zuvor solchen visuellen Reichtum in einer Benutzeroberfläche eines Betriebssystems gesehen hatte, war das eine beeindruckende Sache. Die Gestaltung war zudem ein Weg, die Zukunft mit der Vergangenheit zu verknüpfen. Die Bedienung und Funktionen sollten durch das Design auf den ersten Blick offensichtlich und intuitiv sein.
Die Eigenschaften eines Mediums beeinflussten stets deren Gestaltung. Ein begünstigender Faktor für den Skeuomorphismus auf Smartphones ist, da anders als bei Desktops, Apps die gesamte Bildschirmfläche beanspruchen und es daher nicht vorkommt, dass zwei Applikationen sich einen Bildschirm teilen. Dies erlaubt den Einsatz von unterschiedlichen visuellen Stilen in verschiedenen Apps ohne das dadurch eine Zusammenhanglosigkeit sichtbar wird.
Mit dem iPhone bekam jeder Designer plötzlich einen größeren Rahmen, mit fixen Parametern und nicht zu vergessen brillanten Farben. Da wundert es keinen, dass sich diese etwas austoben wollten. Doch beim Skeuomorphismus kann auch was schief gehen. Zuerst einmal kann dieser, wenn er falsch umgesetzt wird, sich schnell zu Kitsch verwandelt. Und wie im echten Leben auch, erkennen wir Lederimitate oder gefälschtes Holz sofort und werten diesen als minderwertige Ware ab. Wer möchte so etwas für seine App?
Unschön wird es, wenn er falsch eingesetzt wird. Etwa wenn man es wie ein physisches Objekt aussehen lässt, es aber nicht seine Funktionen teilt.
Ein offensichtliches Beispiel dafür ist Apples Kontakt-App. Diese teilt wie iBooks die visuelle Metapher eines Buches, verwendet aber im Gegensatz zu iBooks nicht das Blättern nach links und rechts für die Kontakt-Seiten.
Ein subtileres aber noch viel tiefgreifenderes Problem liegt im Konzept des skeuomorphischen Interfaces vor. Unabhängig davon, ob sein Aussehen realistisch ist oder nicht. Beim Imitieren eines realen Objektes werden oft auch dessen Einschränkungen übernommen, auch wenn es für diese keinen Grund mehr gibt. Ein Beispiel ist der Kalender. Er wird traditionell mit einem Monat pro Seite angezeigt. Und obwohl das digitale Medium keine solche Einschränkungen besitzt, halten viele digitalen Kalender immer noch an der Ein-Monat-Pro-Seite-Screen-Regel fest, anstatt beispielsweise die Sicht auf die aktuelle Woche zu konzentrieren. Man wird dadurch in seinen Möglichkeiten limitiert.
Haalllloooooo Flat Design
Niemand hätte erwartet, dass die nächste Design-Bewegung ausgerechnet von Microsoft eingeleitet wird. Sei es um eine bessere Unterscheidung zum Konkurrenten Apple zu haben, oder weil sie dachten, dass ihr Weg die bessere Design-Philosophie ist. Microsoft entwickelt mit dem Flat Design ein komplett unterschiedliches ästhetisches Konzept für ihr Modern User Interface (anfangs noch Metro-Style). Alles wurde weggelassen. Keine Texturen, Verläufe, Schatten oder Highlights. Die Gestaltung ist simple. Große Quadrate, Icons und der Einsatz von Typografie.
Doch ganz aus deren Feder stammt es auch wieder nicht. Flat Design hat seinen Ursprung im Schweizer Design. Microsoft hat jedoch mit seinem visuellen Konzept der Modern UI, mit seinem starken Fokus auf Farbe und Typo, den Geschmack einiger Designer, die eben diesen minimalistischen Stil lieben, voll getroffen. Viele beginnen ihren persönlichen Designansatz zu hinterfragen und realisieren, dass es zwar Spaß macht ein Layout in Leder- oder Papieroptik zu gestalten, es aber nicht immer die beste visuelle Lösung für beispielsweise eine Business-App ist.
Doch auch ein Flat Design hat genau wie das skeuomorphische, seine Grenzen und Probleme.
Wie schon zu Anfang geschrieben, diskutieren viele über, wie „schlecht“ das alte Design ist. Jedoch vergessen auch viele Designer, dass wir Menschen Gewohnheitstiere sind. Ein User weiß, dass ein Button einen leichten Verlauf, abgerundete Ecken und einen Schlagschatten hat, oder zumindest Abwandlungen davon existieren. Der Nutzer ist mit einem UI vertraut, bei dem Inputfelder einen leichten Schatten nach innen haben und sie somit zu erkennen sind. Der Minimalismus von Flat Design hat durch den Wegfall von solchen Konventionen ernsthafte Konsequenzen in der Usability. Jedes Element hat die gleiche Gewichtung. Es kann vom User nicht mehr zwischen Schaltfläche und Eingabefeld unterschieden werden. Dies kann sich nach einer Gewöhnungsphase wieder ändern, aber dennoch sollte man in der UI Gestaltung sich auf die Nutzbarkeit konzentrieren und erst dann auf die Ästhetik gehen.
Ich finde es, wie bereits zu anfang des Blogeintrags genannt, nicht schlimm, für die Gestaltung von User Interfaces aus zwei verschiedenen Stilen wählen zu können. Ich tendiere vielleicht viel eher zum Flat Design, jedoch wahrscheinlich nur, weil ich zu den Minimalisten gehöre. Man sollte je nach Projekt sich für den Realismus oder den Minimalismus entscheiden. Je nachdem welcher der bessere Weg ist. Wenn man beide Stile beherrscht und sie richtig einsetzten kann, ist an beiden nichts auszusetzen.
Skeuomorphismus Design

+
- hilft Usern, den Zweck einer App intuitiv zu verstehen
- ist ein sicherer und vertrauter Ansatz für Designer und Nutzer
- Neue User können allein durch die Art wie es aussieht von der Gestaltung angezogen sein
—
- hinzugefügte Illustrationen können Verzögerungen im Design und der Entwicklungszeit verursachen
- es dauert länger größere Dateien herunterzuladen oder im Browser zu rendern
- es neigt dazu, stark auf Bilder zu setzten, statt auf reines CSS
- Apps können schnell veraltet wirken, wenn sich die Stile und Trends ändern
Flat Design

+
- einfach, sauber, bunt, modern, trendy
- anders als das, was die Leute gewohnt sind
- einfach einzusetzen
- modernes Aussehen
- schnelle Ladezeiten
- effizientes, ansprechendes Design
- es gibt wenig oder keine Notwendigkeit für Illustration
- Stylesheets und Ladezeiten neigen dazu, etwas kleiner zu sein
- der Inhalt wird in einer sehr einfachen Weise präsentiert
—
- manchmal unklar, was klickbar ist
- Risiko einer fehlenden Persönlichkeit
- Beziehungen zwischen Objekten können nur durch Farbe, Form und Nähe sichtbar gemacht werden
- Es kann schwierig werden, ein Gefühl von Raffinesse oder Eleganz zu erzeugen