Usability und User Experience unterscheiden

Zunehmend wird in Entwicklungsprojekten nicht nur über "Usability" diskutiert sondern auch über "User Experience". Aber seien wir ehrlich, so richtig weiß keiner, was der Unterschied ist, oder? Fragt man Beteiligte in Projekten, die beide Begriffe verwenden, was denn der Unterschied sei, so gibt es ein ganzes Spektrum an - mehr oder minder befriedigenden - Antworten. Auch wagt man sich kaum, den Begriff "User Experience" ins Deutsche zu übersetzen.

User Experience (Benutzererlebnis):
"Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren"

ANMERKUNG 1:

User Experience umfasst sämtliche Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physiologischen und psychologischen Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen, die sich vor, während und nach der Nutzung ergeben.

ANMERKUNG 2:

User Experience ist ein Folge des Markenbilds, der Darstellung, Funktionalität, System¬leistung, des interaktiven Verhaltens und der Unterstützungsmöglichkeiten des interaktiven Systems, des psychischen und physischen Zustands des Benutzers aufgrund seiner Erfahrungen, Einstellungen, Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit sowie des Nutzungskontextes.

ANMERKUNG 3:

Die Gebrauchstauglichkeit kann, sofern sie unter dem Blickwinkel der persönlichen Ziele des Benutzers interpretiert wird, die Art der typischerweise mit der User Experience verbundenen Wahrnehmungen und emotionalen Aspekte umfassen. Kriterien der Gebrauchstauglichkeit können angewendet werden, um Aspekte der User Experience zu beurteilen.

Platt gesagt betrachtet "Usability" die tatsächliche Nutzungsituation selbst, während "User Experience" darüber hinaus die antizipierte Nutzung und die Verarbeitung der Nutzungssituation nach der Nutzung mit einschliesst. Abbildung 1 illustriert diese Unterschiede.

Relevanz von User Experience

Nun, grundsätzlich lässt sich sagen, dass Käufer von Produkten sich vor dem Kauf eines Produkts die Nutzung des Produkts vorstellen. Es findet also ein "Usabilitytest im Kopf des potentiellen Käufers" statt. Wenn das Produkt hierbei "durchfällt", weil bestimmte Aspekte der Gestaltung aus Nutzersicht hinderlich eingeschätzt werden, dann wird das Produkt eben eher nicht gekauft, auch wenn es sich in der Nutzung als gebrauchstauglich erweist. So lässt sich auch z.B. der Misserfolg vieler Universalfernbedienungen erklären, die beim bloßen Betrachten in der Plastikhülle im Laden den Eindruck erwecken, als hätte man mit der Universalfernbedienung noch größere Probleme als mit den 3 - 4 Fernbedienungen, die bereits auf dem Wohnzimmertisch liegen.

Merken

Abbildung 1: Die genormte Sicht auf Usability und User Experience

User Experience umfasst demzufolge alle Effekte, die ein Produkt bereits vor der Nutzung (antizipierte Nutzung) als auch nach der Nutzung (Identifikation mit dem Produkt oder Distanzierung) auf den Nutzer hat. Usability wiederum fokussiert auf die eigentliche Nutzungssituation (Effektivität und Effizienz).

Fazit

User Experience ist kein "Ersatzkonzept" für Usability. User Experience erweitert das Konzept Usability um die antizipierte (angenommene / vorgestellte) Nutzung und die Verarbeitung der Nutzungssituation (Identifikation oder Distanzbildung zum Produkt). Dies ist insbesondere relevant bei Produkten, die "über die Ladentheke" verkauft werden, weniger bei Produkten für den gewerblichen Einsatz.

Antizipierte (vorgestellte) Nutzung lässt sich recht gut testen. So testet die ProContext Consulting GmbH regelmäßig in ihren Usability-Labors, inwieweit die angenommene Nutzung und Wahrnehmung eines Produktes durch den Nutzer mit der herstellerseitig beabsichtigten Nutzung und Wahrnehmung übereinstimmen. Dadurch können frühzeitig gezielt "Missmatches" in der Vorstellung zwischen Hersteller und Benutzer identifiziert werden und so der Produkterfolg konsequent vorbereitet werden.

Usability laut DIN EN ISO 9241-11:
Das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Nutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.

User Experience laut DIN EN ISO 9241-210:
Prozess zur Entwicklung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme und ersetzt seit 2011 die ISO 13407 (Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme)

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